Das Wort Kubismus stammt vom lateinischen Wort „cubus“ bzw. vom französichen Wort „cube“ (Würfel) ab. Diese Stilrichtung entstand um 1906 in Frankreich aus einer Avantgardebewegung und behandelt vorwiegend geometrische Figuren in der Kunst.
Man unterscheidet vor allem zwei Stile: den analytischen und den synthetischen Kubismus. Pablo Picasso, Georges Braque, Juan Gris und die Puteaux-Gruppe zählen zu den prominentesten Vertretern, die beiden ersteren gelten als Begründer der Kubismus Kunst.
Juan Gris, 1915, Nature morte à la nappe à carreaux
Georges Braque, 1910, Violin and Candlestick
Schon immer verstand man unter Malerei das Abbilden der Natur in ihrer realen Form. Erst im 18. Jahrhundert rückte die Ästhetik in den Vordergrund, die Form erlangte an Bedeutung und die Malerei erhielt einen geistigen Kern. Die Richtung des Kubismus löste den Fauvismus ab, der durch leuchtende Farben und die Darstellung des Raumes gekennzeichnet war.
Auch wenn es an sich kein kubistisches Manifest gibt, zählt diese Kunstrichtung zu den revolutionärsten der Geschichte und gilt als Anfang einer neuen künstlerischen Ordnung, der modernen Kunst. Paul Cézanne und sein Bild „Les Grandes Baigneuses“ galt als Inspiration für die damaligen Zeitgenossen Picasso und Braque. Cézanne pflegte einen freieren Umgang was die Darstellung der Natur, der Formen und der Perspektiven angeht.
Die Kunst hat Schwingen, die Wissenschaft gibt Krücken.
George Braque
Foto von Jeremy Bishop
Der Begriff Kubismus wurde zum ersten Mal vom französischen Schriftsteller und Dichter Charles Morice verwendet, der 1909 in der Zeitschrift „Mercure de France“ die Kubismus Bilder des Georges Braque beschrieb. Einer der bedeutendsten Kunstkritiker der Zeit, Louis Vauxcelles, war auch maßgeblich an der Begriffssetzung beteiligt. Auch er assoziierte den „cubisme“ mit Braque, sowie mit den frühesten Gemälden des Picasso. Auch Henri Matisse wird nachgesagt, er habe bezüglich eines Kunstwerks von Braque 1908 von kleinen Würfeln gesprochen. Viele Kunsthistoriker und Galeristen warnen davor, den Begriff Kubismus zu wörtlich zu nehmen, wie es in den ersten Jahren der Fall war. Sowohl Picasso, als auch Braque ging es nicht um die Darstellung von geometrisch abstrakten Formen an sich, sondern um die Darstellung des Gegenstandes.
Von der Wortschöpfung abgesehen wird Picasso mit seinen Werken um 1906 , besonders „Brustbild einer Frau mit gefalteten Händen“, als Begründer der Stilrichtung gesehen. Diese experimentelle Phase des Übergangs zwischen zwei Kunstrichtungen wird Proto-Kubismus genannt.
Pablo Picasso beschäftigte sich in der explorativen Phase des Proto-Kubismus mit den verschiedensten Künstlern und Kunstrichtungen: mit der Mosaikkunst von Paolo Uccello, mit der Frührenaissance von Piero della Francesca, mit dem spanischen Manierismus von El Greco, sowie mit dem Primitivismus der Italiener und Flamen. Sein Werk von 1907 „Les Demoiselles d'Avignon“ gilt als einleitendes Werk und Vorreiter für alle folgenden Kubismus Bilder und neben Werken von Matisse als Einleitung zur modernen Kunst. Zunächst wurden die Demoiselles jedoch abwertend empfangen, sowohl von Matisse als von Braque. Erst später realisierten Picasso und Braque, dass viele ihrer Werke signifikante Ähnlichkeiten aufwiesen, bis sie mit Ende 1908 fast täglichen Austausch hatten. Die beiden wurden unter dem Namen die Seilschaft („la cordée“) bekannt und pflegten eine sehr enge berufliche Partnerschaft. Die erste Kubismus-Ausstellung fand 1908 in der Galerie Kahnweiler statt, hier wurde der Begriff von Vauxcelles auch zum ersten Mal verwendet. Nur wenige Zeit später hatte sich der Begriff Kubismus Kunst in der Szene etabliert.
Pablo Picasso
Den Kubismus mathematisch und geometrisch zu erklären ist für Pablo Picasso pure Literatur. Er sieht ihn als Mittel des Ausdrucks und der Formveranschaulichung – etwas Dreidimensionales in einem Raum auf eine zweidimensionale Leinwand zu bringen. Das Besondere daran ist, dass Abstraktion trotz Geometrie nicht im Mittelpunkt steht, im Gegenteil: der Fokus liegt auf die höchstmögliche Natur-, Form- und Farbentreue. Braque fertigte in dieser Schaffensperiode „Violine und Krug“ an, ein Stillleben, das zeigt wie der Künstler sich mit der Analyse des Gegenstandes beschäftigte und die Farben auf Grau- und Brauntöne minimierte. Von Picasso stammt das frühkubistische Werk „Dryade (Akt im Wald)“ aus dem Jahr 1908. Da beide Künstler zuvor auf Unverständnis und Ablehnung von Seiten des Herbstsalons gestoßen waren, entschieden sie sich dafür nicht mehr dort auszustellen und bevorzugten die Galerie Kahnweiler oder Ambroise Vollard. Sie strebten auch das Zurückstecken des Persönlichen an, was sie dazu bewegte ihre Bilder selten bis gar nicht zu signieren.
Diese Kunstform wird auf die Jahre zwischen 1907 und 1911 zurückgeführt, also die Anfänge des Kubismus, in denen es primär um die Zerlegung der Objekte in geometrische Formen ging. Der analytische Kubismus beschreibt die frühere Kubismusperiode und gleichzeitig die Hauptphase, in der Kubisten vorwiegend von wenigen, blassen Farben Gebrauch machten. Dadurch wollten sie verhindern, dass die geometrischen Formen und Figuren des Werkes überschattet werden. Insgesamt spielten Licht und Lichtverhältnisse eine sekundäre Rolle, sodass teilweise nicht mal Wert darauf gelegt wurde, von welcher Seite das Licht scheint. Auch die altbewährte Unterteilung der Bilder in Vorder- und Hintergrund warfen Picasso und Braque über Bord. Dadurch offenbarten sie dem Betrachter einen neuen Blickwinkel, nämlich den der Simultaneität, der es ermöglichte die Kubismus Bilder aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu sehen. 1920 verfasste der deutsch-französische Kunsthistoriker und Autor Daniel-Henry Kahnweiler „Der Weg zum Kubismus“. In der Publikation beschreibt er den bisherigen Verlauf des Kubismus in allen seinen Phasen, zum Beispiel das zweite Stadium „Die Durchbrechung der geschlossenen Form“ und „Das Problem der Farbe“.
Der synthetische Kubismus folgte auf den analytischen. Zwischen 1912 und 1924 wagten es die Kubisten, mehr Farbe in ihre Bilder einfließen zu lassen. Nun werden Objekte nicht mehr nur geometrisch zerlegt und zusammengefügt, die Artisten versuchen sie in unterschiedlichen Perspektiven darzustellen und auch nicht zusammengehörende Figuren miteinander zu verbinden. In dieser Zeit erleben wir auch die Entstehung der Collage. Braque widmete sich dem „papier collé“ (dt. Klebebild), dem Vorgänger der Technik der Collage, wie wir sie heute kennen. Zusammen mit Picasso fertigten sie Plastiken aus Karton und Papier an, später arbeitete Picasso besonders gerne mit Elementen wie Holz, Blech oder Kohle, die dem Kunstwerk ein dreidimensionales Erscheinungsbild gaben. Besonders erwähnenswert ist Braques „Obstschale, Flasche und Glas“ (fr. „Compotier, bouteille et verre“) von 1912, das als Vorreiter des papier collé gilt. Später inkludierten die Kubisten die verschiedensten Materialien in ihre Werke, wodurch die Bilder materieller und realer wirkten. Neben den oft genannten Picasso und Braque darf auch der Spanier Juan Gris nicht vergessen werden. Im Gegensatz zu den anderen beiden war die Herangehensweise des ehemaligen Ateliernachbarns Picassos viel theoretischer und rationaler. Gris widmete sich in dieser Phase vorwiegend Stillleben, die er mit Collage-Elementen wie Zeitungsausschnitten und Glasscherben kombinierte.
Im Chaos des Ersten Weltkrieges mussten viele Künstler den Kriegsdienst antreten, was zur gezwungenen Auflösung vieler Gruppierungen führte. Auch die Freundschaft zwischen Picasso und Braque hielt nicht an. Letzterer erlitt im Krieg eine Kopfverletzung, die ihn auch charakterlich veränderte.
Der Kubismus als Kunstform stieß zu seiner Zeit zwar oft auf Inakzeptanz und Unverständnis, dennoch war das Interesse seitens der Künstler groß. Um einige wenige zu nennen: Umberto Boccioni, Wladimir Tatlin, Paul Klee und Franz Marc. Der Einfluss des Kubismus war so gewaltig, dass sich auf der ganzen Welt zahlreiche Bewegungen des 20. Jahrhunderts darauf stützten, darunter der Futurismus in Italien, der Orphismus in Frankreich und die Blauen Reiter in Deutschland. Der Einfluss übertrug sich auch auf die Architektur, besonders in Prag finden wir kubistische und rondokubistische Elemente. Die Film- und Fotografieszene leihte sich vom Kubismus Elemente der Abstraktion und Geometrie, sogar in der Musik findet der Kubismus Anklang. Vom französischen Komponisten Erik Satie stammt das Ballett „Parade“, für das Picasso persönlich die Kostüme und das Bühnenbild entwarf. Die kubistische Plastik wiederum florierte in den 1920er Jahren, auch wenn Picassos „Kopf einer Frau“ bereits 1909 entstand. Weitere wichtige Vertreter in der Bildhauerei waren Henri Lauren, Jacques Lipchitz und der Futurist Umberto Boccioni.